Josefine Paul (*2.März 1982, Helmstedt) ist Grüne Landtagsabgeordnete in NRW seit 2010. Sie ist Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik sowie Sprecherin für Sportpolitik und für Kinder, Jugend und Familie in der Grünen Fraktion. Sie war im Landesvorstand der Grünen Jugend Niedersachsen (2002-2004) und Beisitzerin im Landesvorstand der Grünen Jugend NRW (2005-2006), wo sie sich für Frauen- und Queerpolitik sowie Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung stark gemacht hat. Sie ist Historikerin (Magister Artium) und Mitglied im Kuratorium für das Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen. Josefine kommt ursprünglich aus Niedersachsen, aber lebt seit ihrem Studium in der Fahrradstadt Münster.
Wanting Shang: Hallo, Josefine. Ich freue mich, dass ich dich heute interviewen darf. Beschreibe dich in drei Worten!
Josefine Paul: kämpferisch, feministisch, neugierig
Wanting Shang: War es am Anfang schwierig für dich in Münster dich einzuleben? Wieso bist du nach dem Studium dort geblieben?
Josefine Paul: Nee, das ist nicht schwierig gewesen in Münster anzukommen, weil Münster ja eine Studentenstadt ist und ich da schnell viele nette Leute kennengelernt habe. Zum Beispiel habe ich mich wieder bei den Grünen und der Grünen Jugend engagiert und Fußball gespielt. Deshalb konnte ich einfach viele Sachen weitermachen, aber habe eben auch spannende neue Sachen entdeckt. Ich habe mich sozusagen ein bisschen in die Stadt verliebt und bin deswegen da kleben geblieben und außerdem bin mittlerweile auch ein Fan von ganz Nordrhein-Westfalen. Das ist mein Lieblingsbundesland.
Wanting Shang: Du bist ja geborene Niedersächsin. Kannst du einen Unterschied zwischen den Grünen in Niedersachsen und NRW ausfindig machen?
Josefine Paul: Na ja, ich meine in NRW sind wir halt noch ein paar mehr Grüne. Das ist ja schon mal eine schöne Sache. Aber sonst, das, was uns Grüne ausmacht, ist ja, dass wir uns überall für wichtige Themen stark machen. Landwirtschaftspolitik ist in Niedersachsen ein wichtiges Thema. Und in NRW lebe ich im Münsterland. Da ist das auch ein ganz wichtiges Thema. Dort, wo ich gebürtig herkomme gibt es auch immer wieder Diskussionen um Atommülllager, also da gibt es Schacht Konrad und gar nicht weit weg ist das Wendland und im Münsterland gibt es eben auch mit dem Zwischenlager Ahaus, der Urananreicherungsanlage in Gronau und der Uranfabrik in Lingen sehr viel Diskussionsstoff. Ich habe mich schon damals in Niedersachsen gegen Atomkraft engagiert und das mache ich natürlich noch bis heute. Also im Grunde genommen gibt es mehr Ähnlichkeiten für mich persönlich aus meiner Erfahrung als dass es jetzt Unterschiede gäbe, aber natürlich Nordrhein-Westfalen ist auch größer und hier ist es natürlich auch sehr viel städtischer geprägt. Es gibt eine ganz andere und größere Queer-Community beispielsweise, was ich sehr schön finde, als Queer-Politikerin und das ist vielleicht ein kleiner Unterschied.
Wanting Shang: Münster ist eine Fahrradstadt und Studentenstadt. Sind denn die Älteren offen für Vielfalt in Bezug auf LGBTI und Flüchtlingspolitik?
Josefine Paul: Auf jeden Fall. Also in Münster, das ist ja bereits durch die Presse gegangen hat die AfD bei den Bundestagswahlen unter 5% der Stimmen bekommen und wir hatten schon mehrere große Demonstrationen in Münster gegen die AFD, aber auch gegen andere Bündnisse, die gegen Vielfalt sind und da sind immer ganz, ganz viele Menschen auf die Straße gegangen und eben auch ganz unterschiedliche, wirklich auch die, wo man jetzt so sagen würde, na ja, die sind jetzt etwas älter und vielleicht sind die auch etwas konservativer, aber in Münster gibt es eine Stadtgesellschaft, die sagt >>Wir stehen auch als Stadt des Westfälischen Frieden, für Weltoffenheit und hier hat Hass und Hetze keinen Platz<< und das finde ich ist toll. Das ist nicht in jeder Stadt, dass man durch die gesamte Stadt sagt >>Nee, mit uns nicht<<.
Wanting Shang: Du warst vorher ein halbes Jahr kurz Lehrerin am Dortmunder Leibniz Gymnasium bis zum Antritt des Landtagsmandat 2010. Findest du, deine Erfahrungen helfen dir als Abgeordnete?
Josefine Paul: Ich habe Geschichte auf Magister studiert und eigentlich wollte ich gar nicht Lehrerin werden, deswegen habe ich auch gar nicht auf Lehramt studiert. Dann habe ich für den Landesverband der Grünen in Niedersachsen gearbeitet und ich wollte aber nicht wieder zurück nach Niedersachsen ziehen, sondern in NRW bleiben und damals suchte das Leibniz Gymnasium eine Vertretungslehrerin für Politik. Da habe ich mich beworben und dann haben die wohl gedacht, na ja, vielleicht kriegt sie das hin. Ob ich das so gut hingekriegt hab, musst du die ganzen Schülerinnen und Schüler fragen. Ich jedenfalls habe eine ganze Menge gelernt. Ich hoffe, ein bisschen was haben die Schülerinnen und Schüler auch gelernt.
Ich fand das total spannend, auch mal auf der anderen Seite zu sein, weil ich war vorher natürlich immer nur Schülerin und bin da ja mehr durch Zufall rein geraten und einmal Lehrerin zu sein fand ich total interessant, weil ich da auch nochmal aus einer anderen Perspektive sehen konnte, dass junge Menschen total engagiert sein können und ganz viele interessante Ideen haben und gerade. Ich habe Politik unterrichtet, dass man in noch zusätzlich interessante Diskussionen. Das zeigt auch, dass junge Leute sich natürlich für Politik interessieren. Ganz oft wird ja gesagt >>Ach, die Jugend von heute, die interessiert sich ja nicht für Politik. << Das habe ich überhaupt nicht so erlebt, sondern das waren spannende Diskussionen und es war für mich eine ganz spannende Erfahrung, aber ich muss sagen, ich bin auch froh und glücklich, dass ich das Glück hatte und das Privileg habe, Abgeordnete sein zu können. Also, das macht mir auch sehr viel Spaß.
Ich habe in erster Linie Kinder, Jugend und Familie, als mein politisches Schwerpunktthema, also nicht Schulpolitik, sondern den Bereich, der entweder vor der Schule liegt, also die Kitas oder den Bereich außerhalb von Schule, also offene Jugendarbeit, Verbandsarbeit usw. und ich finde, dass diese beiden Systeme, also Jugendarbeit und Schule sich noch mehr ergänzen sollten. Jugendhilfe und Schule, das sind zwei Bereiche, die sehr wichtig sind, weil es am Ende darum geht, dass junge Menschen zu mündigen Bürger*innen werden und dass sie eben zu selbstbestimmten Persönlichkeiten werden. Und ich glaube da können beide Systeme stark voneinander profitieren und deswegen engagiere ich mich dafür.
Wanting Shang: Du setzt dich für Inklusion ein. Was ist der momentane Standpunkt?
Josefine Paul: Also ich setzte mich natürlich generell für Vielfalt in der Gesellschaft ein und dafür, dass alle Menschen teilhaben können in dieser Gesellschaft. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit, auch leider nicht für Menschen mit Behinderung. Es wird ja immer viel diskutiert über in Inklusion in Schulen, aber es geht eben nicht nur um Inklusion in Schule, sondern ich engagiere mich ja im Bereich Sportpolitik und das ist auch ein wichtiger Bereich, wo man viel von lernen kann. Also, wir haben ganz viele tolle Projekte, wo Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene mit und ohne Behinderung zusammen Sport treiben und eben gemeinsam gute Erfahrungen mit Inklusion machen, dass man voneinander profitieren kann und dass man natürlich ganz tolle gemeinsame Erlebnisse haben kann und das finde ich wichtig, dass wir viele Bereiche haben, in denen wir auch immer wieder diese positiven Beispiele finden können für gelingende Inklusion.
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