Beim Browsen auf Netflix, Amazon Prime und anderen Plattformen, hat man die Qual der Wahl. Es gibt eine Unmenge an Serien, die man gar nicht alle schauen kann. Serien wie The Big Bang Theory oder das mittlerweile schon fast veraltete Two and a Half Men haben nicht nur das „Format“ Sitcom gemein, sondern auch ihr Frauenbild. Ist euch schonmal aufgefallen, dass man bis zur 10. Staffel nicht weiß, wie Penny mit Nachnamen heißt? Und dass die Frauen aus Two and a Half Men alle austauschbar sind?
Dass diese zwei der beliebtesten Serien der letzten 10-20 Jahre sind, hat mich dazu inspiriert, eine Liste von Gegenbeispielen zu bringen. Starke Frauen, Queer-Themen und gute Unterhaltung? Sowas gibt’s? Eindeutige Antwort: JA! Man muss nur ein bisschen suchen.
Der Klassiker: Gilmore Girls
Die wichtigsten Figuren Lorelai und Rory, beide weiblich. Lorelai ist eine alleinerziehende Mutter, Rory eine Musterschülerin mit großen Ambitionen. Drumherum Emily, Paris, Lane und Sookie als weitere Frauenfiguren. Die einzigen wirklich wichtigen männlichen Personen sind Luke und Richard, alle anderen spielen für einen begrenzten Zeitraum eine Rolle. Die Dialoge sind göttlich (besonders in der Originalversion, eine andere Serie der gleichen Macherin wird im Verlauf auch noch Erwähnung finden). Großer Negativpunkt: die Intersektionalität fehlt. Das Verhalten der Gilmore Girls grenzt teilweise an Mobbing, ist oft rassistisch geprägt und bis auf Lane kommen PoC nicht gut weg.
Wer eine Serie mit tollen Dialogen und einem starken Mutter-Tochter-Gespann sucht, dem sei Gilmore Girls ans Herz gelegt. Wer intersektionalen Feminismus sucht: Hier werdet ihr nicht fündig. (Staffel 1-7 + Sequel auf Netflix)
PS: Mit dem Sequel A Year In The Life hatte Schöpferin Amy Sherman-Palladino die Chance, Intersektionalität reinzubringen, stattdessen kommen fettenfeindliche Kommentare mit dazu, eine merkwürdig jung aussehende Lorelai und der „Gag“, dass Emily mit ihren Hausmädchen nicht kommunizieren kann, weil sie die Sprache nicht kann und es sie nicht interessiert, ist geblieben.
Lust auf Musical? Crazy Ex-Girlfriend
Der Sandkastenliebe spontan ans andere Ende des Kontinents hinterherziehen – wer tut sowas? Rebecca Bunch. Eine New Yorker Anwältin, die Hauptperson der Netflix-Serie ist. Mit Songs über Liebe, Freundschaft, psychische Probleme, physische Probleme, merkwürdige Gefühle, Alltagssituationen und einem grandiosen englisch-jiddischen Rap-Battle gehört die Serie zu denen, die nicht jedermanns Geschmack sind. Die Charaktere sind überzeichnet und teilweise handeln sie zum Fremdschämen. Doch so viel Witz und Ehrlichkeit steckt in dieser Serie, dass ich sie (in der Klausurphase) innerhalb von zwei Wochen durchgeschaut habe und jetzt sehnsüchtig auf die neue Staffel warte. Es werden so viele relevante Themen angesprochen, alle irgendwo im Bereich Feminismus und geistige Gesundheit angesiedelt, dass man sie gar nicht alle aufzählen kann.
Die Charaktere sind nicht auf vollständige Identifizierung ausgelegt. Insbesondere Rebecca Bunch bringt Aktionen, die im besten Fall zum Fremdschämen, im schlechtesten Fall verstörend, sind. Der Feminismus hier ist nicht so flach wie bei den Gilmore Girls, auch wenn er nicht perfekt ist.
Die Serie ist empfehlenswert für jeden, der sich mit Humor und Satire mit Feminismus und mentaler Gesundheit beschäftigen möchte und sich nicht vor musikalischen Einlagen und einer guten Portion Over-The-Top-Cringe fürchtet. (Staffel 1-3 auf Netflix)
Ein Blick zurück – The Marvelous Mrs. Maisel
Midge Maisel – Hausfrau und Mutter, unbedingte Unterstützerin ihres Mannes im New York der 1950er Jahre. Midge ist mit Joel verheiratet, Joel hat eine neue Freundin – eine Schickse, eine Nicht-Jüdin. Wie kommt eine Frau in dieser Zeit mit einer Trennung zurecht, welche Probleme hat sie? Arbeit, Wohnung, Erziehung? Midge Maisel setzt sich gegen ihre Eltern (gespielt von Judith aus Two and a Half Men (sie hat mehr drauf, als sie dort zeigt. Viel mehr) und dem Schauspieler von Monk) durch und bleibt bei der Trennung. Sie entdeckt ihr Talent für Stand-Up-Comedy und versucht sich an verschiedenen Jobs.
Frau in den 50er Jahren zu sein, ist nicht einfach, erst Recht nicht in der jüdischen Oberschicht New Yorks. Neben „normalen“ Pflichten, wie Kindererziehung und Arbeit, nimmt Mrs. Maisel gesellschaftliche Verpflichtungen an, vermisst regelmäßig ihren Körperumfang, geht zur Gymnastik und richtet sich immer hübsch her. Wie ist Midge Maisel also Feministin? Größtenteils mit ihren Worten. Und jetzt ratet mal, wer Schöpferin ist… Amy Sherman-Palladino, die von den Gilmore Girls. Es ist ein Meisterwerk voller Liebe fürs Detail und für die starken weiblichen Charaktere Susie Myerson und Miriam „Midge“ Maisel, die versuchen, die gesellschaftlichen Normen zu brechen und mit Wortwitz eine Karikatur auf die Oberschicht Manhattans zeichnen.
Besonders empfehlenswert für: Fans von Wortwitz, 50er Jahren und sympathischen Frauen. Bisher sind zwei Staffeln auf Amazon Prime veröffentlicht, meine Dozentin sagt, die zweite Staffel ist noch viel besser als die erste. (Staffel 1+2 auf Amazon Prime)
Und… Action! Westworld
Action-Serien leben oft von Männern mit breitem Kreuz und einem weiblichen Sidekick, der für das Schöne zuständig ist, aber nicht für das Grobe. In dieser Serie ist es anders und – Überraschung! – es funktioniert. Gut.
Der Wilde Westen als Themenpark mit Droiden, die Menschen zum verwechseln ähnlich sehen, wird für die Besitzer zum Albtraum. Rund um die Droiden Dolores (gespielt von Evan Rachel Wood) und Maeve (gespielt von Thandie Newton – QUEEN!!!) bildet sich eine Revolte der untötbaren Droiden gegen die Menschen, die sie steuern.
Die Serie kommt ohne große Gefühlsduselei rund um die Frauen klar und in Sachen Brutalität stehen sie ihren männlichen Kollegen in nichts nach. Die Serie ist keine zum Zwischendurch schauen, denn die verschiedenen Zeitebenen und Metaebenen verwirren sehr und wenn man kurz nicht aufpasst, ist man raus.
Zu empfehlen für: Jeden, der
a) Weibliche Figuren als Protagonisten in Actionserien vermisst
b) sich für künstliche Intelligenz und ihre ethischen Probleme interessiert
c) Lust auf tolle Schauspieler*innen mit einer spannenden und vielschichtigen Story hat
(Staffel 1 auf Sky Go, Staffel 1+2 über HBO)
Habt ihr eine feministische Serie, die ich vergessen habe? Lasst es mich in den Kommentaren wissen.
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