Am 25.05.2014 finden die Europawahlen statt und alle EU-Bürger haben die Chance, demokratisch über ihr neues Parlament abzustimmen. Dieses direkt gewählte Parlament entscheidet dann über wichtige Probleme und neue Gesetze in Europa – das klingt sehr demokratisch, oder etwa nicht?
Doch ganz so einfach und demokratisch ist es dann doch nicht in der Europäischen Union. Die Europawahlen in diesem Jahr sollten für uns ein Anlass sein, die Demokratie und Strukturen der EU zu betrachten und kritisch zu hinterfragen.
Die Wahlen finden seit 1979 alle fünf Jahre statt und wahlberechtigt sind in den meisten Ländern alle Bürger über 18 Jahren (Ausnahme: Österreich mit 16 Jahren). Gewählt wird das Europäische Parlament, das aus 751 Abgeordneten aus den nun 28 EU-Mitgliedsstaaten besteht, die sich in Europarteien zusammenschließen, so zum Beispiel die Europäische Grüne Partei. Bei der Zusammensetzung gilt das „Prinzip der degressiven Proportionalität“, d.h. dass größere Staaten mehr Sitze haben als kleinere, wobei die kleinsten trotzdem überproportional vertreten sind, damit sie sich angemessen repräsentieren können.
Damit ist das Parlament das einzige direkt gewählte Organ der EU und hat eine große politische Legitimation.
Allerdings ist es weder das einzige noch das einflussreichste Organ der EU. Die gesetzgebende Funktion teilt es sich mit dem Rat der Europäischen Union (auch „Ministerrat“), der aus Ministern der 28 EU Staaten besteht. Ohne die Zustimmung des Rates kann das Parlament keine Gesetze verabschieden. Auffällig ist hier, dass seine Mitglieder, also die Minister und Mitglieder der einzelnen Regierungen, zwar auf nationalstaatlicher Ebene, aber nicht auf EU-Ebene vom Volk gewählt werden. Außerdem sind sie in ihren Nationalstaaten Teil der Exekutive, üben in Europa durch den Rat aber eine Legislativfunktion aus. Diesen Widerspruch gegen die Gewaltenteilung nennt man Exekutivförderalismus und er kann leicht missbraucht werden, wenn Regierungen Gesetze, die sie im eigenen Land nicht durchbringen konnten, versuchen über den Rat auf EU-Ebene zu verabschieden. Ein weiterer Kritikpunkt am Ministerrat ist die mangelnde Transparenz: Sitzungen, bei denen keine Gesetze verabschiedet werden, sind nicht-öffentlich.
Doch um ein Gesetz überhaupt auf den Weg zu bringen, braucht es zunächst einen Vorschlag der Europäischen Kommission, die das alleinige Initiativrecht hat. Sie setzt sich aus 28 Kommissaren aus den einzelnen Mitgliedsstaaten zusammen, die von den Regierungen nominiert werden und damit überhaupt keine (direkte) Legitimation besitzen. Außerdem finden ihre Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Kommission ist damit das beste Beispiel für fehlende Demokratie in Europa.
Das vierte und vielleicht einflussreichste Organ der EU ist der Europäische Rat (dessen Treffen als „EU-Gipfel“ bekannt sind), der aus den Staats-und Regierungschefs besteht. Wie auch der Ministerrat haben seine Mitglieder damit keine direkte Legitimation auf EU-Ebene, sondern werden nur in den einzelnen Staaten gewählt. Offiziell ist der Europäische Rat nicht gesetzgeberisch tätig, sondern soll nur Impulse für die Entwicklung der EU geben und Kompromisse zwischen den einzelnen EU-Staaten finden, wenn es Probleme gibt.
In der Realität tut er allerdings viel mehr als das. Er trifft wichtige Entscheidungen mit einer sehr großen Tragweite, zum Beispiel hat er die Hilfe für Griechenland in der Euro-Krise lange aufgeschoben und bei der Einführung des Euro eine gemeinsame Finanzpolitik verhindert, was mit Sicherheit einer der Gründe für die Euro-Krise war. Auch hier sieht man außerdem fehlende Transparenz, denn diese Entscheidungen werden immer hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen. Wo ist da die Demokratie?
Man erkennt also unschwer, dass von allen vier Organen das Parlament am wenigsten Einfluss hat, obwohl es als einziges direkt gewählt wird. Bei wichtigen Entscheidungen wird es vor allem von den Gipfeltreffen der Staatschefs einfach übergangen und selbst bei der Gesetzgebung muss es sich den Meinungen von Ministerrat und Kommission anpassen. Seine Hauptaufgabe besteht also nur darin, von der Kommission ausgearbeiteten Gesetzen zuzustimmen oder sie gegebenenfalls abzulehnen. Auf tragende Entscheidungen, wie das Handeln der EU in der Euro-Krise, hat es fast keinen Einfluss. Diese werden alle hinter verschlossenen Türen von nicht auf EU-Ebene gewählten Vertretern geschlossen. Wie die EU trotz dieser Defizite als völlig demokratisch bezeichnet werden kann, ist fragwürdig.
Doch es gibt auch positive Ansätze hin zu mehr direkter Demokratie. Einer ist die Europäische Bürgerinitiative, bei der die Bürger der EU die Kommission auffordern können, eine Gesetzesinitiative zu starten. Doch bei näherem Hinsehen gibt es auch hier noch große Lücken: Die administrativen Hürden sind hoch (min. 1 Million Unterschriften aus 7 Staaten in 12 Monaten) und außerdem kann die Kommission nur aufgefordert werden, einen Rechtsakt vorzuschlagen und ist keineswegs dazu verpflichtet. Ein positives Beispiel für eine (die bisher einzige) erfolgreiche Bürgerinitiative ist “Wasser ist ein Menschenrecht!”, die von 2012 bis 2013 lief und die die Privatisierung des Wassernetzes verhindern wollte.
Trotz allem ist die EU wichtig für Europa, vor allem bei Fragen, die nationalstaatlich nicht gelöst werden können, wie einheitlichen Lebensmittelstandards, Umweltproblemen und der Euro-Krise. Eine gute Zusammenarbeit der einzelnen Staaten ist wichtig und sollte in Zukunft weiter ausgebaut und verbessert werden. Dazu braucht es aber deutlich mehr Demokratie! Gute Ansätze sind bereits vorhanden, denn z.B. Wahlen und Zusammensetzung des Parlaments sind sehr vorbildlich. Auch gab es in den letzten Jahren durch Verträge wie zuletzt den Vertrag von Lissabon 2007 viele gute Reformen. Während das Parlament nach den ersten demokratischen Wahlen 1979 noch kaum Macht und Einfluss in Europa hatte, wurden seine Kompetenzen seitdem schrittweise immer weiter ausgebaut, zum Beispiel entscheidet das Parlament nach der Nominierung der Kommissare über ihre Eignung und stimmt außerdem über den Kommissionspräsidenten ab. Auch übt es zusammen mit dem Rat Haushaltsbefugnisse aus.
Weitere Vorschläge für Reformen wäre die schrittweise Entmachtung oder Anschaffung der EU-Gipfeltreffen oder eine direkte Wahl der Europäischen Kommission. Wir Bürger brauchen mehr Einfluss auf unser Europa, damit die Staatschefs, Minister und Kommissare, beeinflusst durch Lobbyisten, nicht willkürlich über unsere Zukunft entscheiden können!
Denn eins ist sicher: Ein starkes und demokratisches Europa ist unsere Zukunft!
von Julia Brinner
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