Irgendwann ist er da dieser Moment: Ich erwähne, vielleicht auch nur beiläufig, dass ich Feminist bin. Peinliches Schweigen. Alle starren mich an. Habe ich denn etwas falsches gesagt?!
Anscheinend schon. Ich bin schließlich ein Mann*. Sollte ich nicht lieber mein Leben auf der Sonnenseite des Patriarchats genießen, anstatt für die Rechte von Frauen* zu kämpfen?
Und überhaupt: Ich habe mich gerade auf eine Seite mit Alice Schwarzer etc. gestellt. 
Wahrscheinlich bin ich gar kein richtiger Mann*, denn sind nicht sowieso alle Feministinnen weiblich?
Ich meine, wer wird denn schon freiwillig Feminist*in, sind das nicht nur irgendwelche Schreckschrauben, die in ihrer Freizeit Männer* verprügeln und dünne Frauen attackieren? Die die Farbe Pink mehr hassen als den Teufel? Die BHs verbrennen und sich beharrlich weigern sich zu rasieren? Und soetwas will ich auch sein?
Das Schweigen in der Runde wird immer peinlicher. Also wird es mit provokanten Thesen gebrochen: 
“FRAUEN AN DEN HERD!”
“Es ist doch wissenschaftlich bewiesen, dass Frauen keine Führungspositionen besetzen können!”
“Wer soll denn dann die Kinder kriegen? Die Deutschen sterben aus!”.
Ein Tornado aus Polemik und reaktionärer Argumentation bricht über mich herüber. Jetzt heißt es Ruhe bewahren und niemanden umbringen.
Dann fange ich an zu erklären:
Warum ich Feminist* und trotzdem nicht Alice Schwarzer bin. Warum Feminismus das Streben nach Gleichheit zwischen allen Geschlechtern ist und nicht bloß der Versuch, ein Matriarchat anstelle des Patriarchats zu errichten. Warum ich komische Sternchen in meine Texte schreibe (übrigens: um alle Geschlechter zu nennen).
Dann gibt es zustimmendes Murmeln oder Blicke der Entrüstung und kurz darauf hat sich die Sache auch wieder.
So ziemlich jeder männliche* Feminist* hat diese Situation schonmal so oder so ähnlich erlebt und weiß, dass es eine Tortur ist, sich als Gleichberechtigungskämpfer* zu “outen”. Für viele Menschen ist alleine die Vorstellung, dass es männliche Feminist*innen gibt, sehr absurd.
Aber warum ist das so?
Das liegt an den Rollenbildern, die uns von klein auf ansozialisiert wurden: Männer* sind groß und stark und selbstständig und scheren sich nicht um die Belange von Frauen*. Das Ganze wird ebenfalls von Internetportalen wie 9GAG gestärkt: Dort wird regelmäßig verkündet, wie absurd und militant der Feminismus ist, und dafür der sogenannte Equalismus propagiert, der jedoch GENAU DAS GLEICHE WIE FEMINISMUS ist! 
Mit dem Feminismus wollen sich viele Menschen gar nicht näher beschäftigen, weil er dank der intoleranten Mittelstandsfeminist*innen so abschreckend wirkt, deshalb nennt man ihn auf 9GAG zum Beispiel Equalismus.
Auch deshalb ist es für viele Menschen so verrückt zu sehen, dass ihr stereotypes Feministinnenbild unterminiert wird.
Also liebe Feminist*innen: Tragt euer Label mit Stolz, lasst euch das Wort Feminismus nicht wegnehmen, zerstört Stereotype und lasst uns für ein gerechteres Morgen streiten!
Anm.: Als Mittelstandsfeminismus bezeichnet man den Feminismus von weißen, westlichen Mittelstandsfrauen*, der vor allem daraus besteht, muslimische Frauen* von ihren Kopftüchern befreien zu wollen oder anderweitig anderen Menschen westliche Bräuche aufzwingen zu wollen. 
Wer sich näher damit auseinandersetzen möchte und Englisch kann ja mal hier
Dieser Beitrag stammt von Redaktionsmitglied Vincent.