Am besten fange ich mit einer kleinen Vorstellung an. Ich heiße Eva, bin 27 Jahre alt, studiere Politikwissenschaft im Master in Aachen und bin körperbehindert. Besonders gut und direkt zusehen ist letzteres an meinen kurzen und geknickten Armen, die ein wenig an einen T-Rexerinnern.

Vielleicht zucken jetzt schon einige beim Lesen dieses Vergleichs zusammen. So ging es zumindest den Lehrer*innen in meiner Grundschule, als wir in den Pausen daraus ein Spiel machten, bei demich andere als T-Rex gejagt habe. Die Aufregung haben wir damals nicht verstanden. Weder meine Freund*innen noch ich. Heute weiß ich zwar immer noch, dass das nicht diskriminierend gemeint war, sondern wir gemeinsam viel Spaß damit hatten, doch verstehe ich die Reaktion der Erwachsenen mittlerweile. Woher sollte die Aufsicht wissen, dass ich das tatsächlich auch lustig fand und niemand von uns sich dabei was böses gedacht hat. Ich kann also froh sein, dass man auf mich und meine Situation als Einzige mit einem offensichtlichen Anderssein geachtet hat…

Doch zeigt es genauso, finde ich, dass Bodyshaming für alle Beteiligten etwas subjektives ist und enorm kontextabhängig. Auch heute machen noch Familie, Freund*innen und auch mein Freund immer wieder blöde Sprüche über meine Behinderung – genau wie ich selber auch. Das würde ich aber nie als Bodyshaming bezeichnen oder empfinden, ich würde es hingegen viel diskriminierender finden, wenn sie es nicht tun würden. Denn meine Behinderung gehört zu mir wie meine braunen Augen oder mein Spaß an toten Sprachen, die auch nicht „normal“ ist. Sie müssenaber mit meiner Schlagfertigkeit rechnen!

Wenn Menschen auf der Straße, im Bus oder, oder, oder, … mich anstarren, mir eine Beleidigung hinterherrufen oder auch einen nett gemeinten Spruch wie „Das ist bestimmt schwer für Sie. Soschade, Sie sind doch noch so jung und haben ein so hübsches Gesicht.“ bringen, ist das etwasvöllig anderes.

Das empfinde auch ich als Diskriminierung. Und man überlegt sich Arten, damit umzugehen:

  • Anstarren nervt mich. Da lächle ich entweder extra nett oder gucke gezielt woanders hin, wenn ich einfach keine Lust auf eine Konfrontation habe.
  • Bei nett gemeinten Sprüchen bin ich meist auch zumindest ein wenig genervt, da ich immer das Bedürfnis habe, mich rechtfertigen zu müssen, dass ich in der Regel ein glückliches und selbstbestimmtes Leben führe, das „gar nicht so schlimm“ ist. Aber ich finde so was eher schade als schlimm. Genauso wenn mir jemand offensichtlich wegen meiner Behinderung einen Keks schenkt o.ä. (meist im Ausland) habe ich einfach wenig Lust mich aufzuregen, sondern denke dann meist „Ach komm, sie*er fühlt sich gut damit und ich hab `nen Keks“ Verstehen viele nicht. Manchmal ist positive Diskriminierung halt ganz praktisch.
  • Und bei einer Beleidigung (eigentlich immer aus der Ferne) zucke ich im ersten Augenblick zusammen, weil es mich natürlich doch trifft. Aber nie lange. Im nächsten Moment tut mir die Person nämlich leid, da ich denke, wer von uns hat grad das Problem mit meiner Behinderung? Antwort: Mein Gegenüber, nicht ich. Dann wende ich mich ab und es ist eigentlich gut.

Anders wäre es vermutlich, wenn solche Beleidigungen häufiger stattfinden würden als seltener als 1x im Jahr oder ich keine Familie und keinen Freundes-/ Bekanntenkreis hätte, die mich in meinem Ich-Sein stärken.

Klar, wenigstens in der Pubertät war das auch mal anders. Mehr aber aus mir selbst heraus als wegen Kommentaren oder Verhalten von Anderen. Die größte Angst: Wie soll mich ein Mann je attraktiv finden, wo ich nun wirklich nicht dem Schönheitsideal nahekomme? Ich durfte aber lernen, nicht alle Männer denken da so. Auch wenn dieser Gedanke auch heute nicht vollkommen weg geht und ich schon das Gefühl habe, dass Freund*innen häufiger angequatscht werden als ich.

In einer glücklichen Beziehung steckend denke ich mir aber auch rückblickend, will ich das überhaupt? Jein. Bestätigung will jede*r, ganz simpel, aber andererseits ist die Behinderung auch –ich zitiere Laura Gehlhaar, Bloggerin im Rollstuhl – ein „Arschlochfilter“…


 

Autor*in: Eva Malecha

Der Text gehört zu unserer Reihe zum Thema Bodyshaming.