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Der Rechtsruck ist kein Mythos!

Der Rechtsruck: Bloß ein Mythos? Alles halb so wild? Jonathan Thurow, Sprecher der GJ Hildesheim wollte Nils Kommentar von letzter Woche nicht einfach stehen lassen und fordert die Grüne Jugend auf die Gefahr von rechts ernst zu nehmen. Ein Gastbeitrag.


Der Rechtsruck unserer Gesellschaft ist kein bloßes Gefühl, sondern real. Wir dürfen die Rechten nicht größer machen als sie sind? Also wenn ihr mich fragt übertreffen Trump, Le Pen, Erdogan, Putin, Höcke und Co meine schlimmsten Albträume.  Das Problem: Sie alle sind echt, sie alle sind Gründe dafür, dass echte Menschen in Angst leben, um ihre Existenz bangen, sich womöglich sogar das Leben nehmen. Die vielzitierte Wiederkehr des Faschismus in der Maske des Demokraten? Längst im vollen Gange! Es sind die gleichen Parolen, die gleiche Wirkungsweise wie vor 80 Jahren – ohne die Shoa in irgendeiner Weise relativieren zu wollen. Noch immer springt „das Volk“ darauf an, und wir schauen zu.

Sicherlich ist vieles besser geworden in den letzten Jahren und Jahrzehnten, aber einiges auch eben schlechter. Und dazu gehört auch der Rechtsruck. Wie kann es sein, dass tatsächlich zur Debatte steht, ob ein Land wie Afghanistan sicher ist oder nicht? Wieso kann die AFD tagtäglich mit Nazi-Parolen auf sich aufmerksam machen, der freien Presse keinen Zutritt zu ihren Veranstaltungen gewähren  und dennoch 10 + X Prozent in jeder Wahl absahnen? Wie kann es sein, dass der wohl mächtigste Mann der Welt ein faktenresistenter Rassist und Frauenfeind ist, dem eine unabhängige Justiz ein Dorn im Auge ist?

Man kann viel darüber streiten ob und inwieweit Soziale Medien inklusive der berühmten „Filterblase“ ihren Teil dazu beitragen, aber man kann den Rechtsruck der Gesellschaft nicht wegdiskutieren. Mag sein, dass laut Mitte-Studie die Zahl der Menschen mit „geschlossenem rechtsextremen Weltbild“ sinkt, aber selbige Studie zeigt auch: Über 40% der Deutschen würden einem Trumpschen Muslim-Ban zustimmen, und mehr als die Hälfte hat Angst vor „Überfremdung“. Von der gestiegenen Gewaltbereitschaft ganz zu schweigen. Auch 2017 heißt es in vielen Teilen der Gesellschaft immer noch: Moslems? Wollen wir nicht! Flüchtlinge? Weg damit! Spricht das für eine „Bastion des Linksliberalismus“?

Statt sich den wirklichen Problemen anzunehmen und dem Hass eine Grundlage zu entziehen, werden Scheindebatten geführt

Es wäre fatal zu glauben, dass das alles schon nicht so schlimm sei, quasi nur eine schlechte Phase. Trump, Le Pen und Höcke sind nun mal keine Phase, sondern die Folgen von rassistischen Gesellschaften, die statt auf Solidarität immer noch viel zu sehr auf Konkurrenz ausgelegt sind, was konsequenterweise in ein „Wir“ vs. „Die anderen“ Denken umschwenkt, dem Nährboden jeglicher Menschenfeindlichkeit. Menschen fühlen sich abgehängt, nicht ernst genommen von „denen da oben“ und im nächsten Schritt wird dann aus „denen da oben“ womöglich ein gieriger Banker oder gleich eine Krake, womit wir dann schnurstracks bei antisemitischen Symboliken angekommen wären. So schnell werden aus „Sorgen und Ängsten“ Vorurteile und Hass.

Statt sich den wirklichen Problemen anzunehmen und dem Hass eine Grundlage zu entziehen, werden Scheindebatten geführt. Anstatt wirklich zu hinterfragen, wie es zum Erstarken reaktionärer Kräfte gekommen ist und vor allem, was dagegen getan werden kann, diskutiert man bei Anne Will und Co. lieber über (Achtung, rechter Kampfbegriff) „Political Correctness“ oder weitere Asylverschärfungen. Statt ihrer Regierungsverantwortung nachzukommen, fischt die Union am rechten Rand und die ach so linken Sozen schwadronieren über „Flüchtlingskontingente“ und ein Einwanderungssystem, das Menschen nach ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit (überspitzt gesagt) in „produktive“ und „unproduktive“ Ausländer*innen einteilt. Marc-Uwe und das Känguru lassen grüßen.

Ich kenne viele Menschen in meinem Alter, die der Meinung wären, die intensive Beschäftigung mit der NS-Zeit in der Schule sei unnötig, überflüssig und ohnehin nicht mehr zeitgemäß. Ist eben passiert, wir sind daür nicht verantwortlich, wird schon nicht mehr so schlimm werden. Dass die Vergangenheitsbewältigung bei weitem nicht abgeschlossen ist, wenn dies überhaupt möglich sein sollte, zeigen die Wahlergebnisse und die wachsende Gewaltbereitschaft Vieler. Dass die Denazifizierung deutlich früher als geplant als „abgeschlossen“ galt und die stramme Wiedereingliederung von Nazi-Funktionären in Politik, Justiz und dem Bildungswesen nicht ohne Folgen sein konnte, wird jetzt deutlich. Es sind nun mal nicht „nur 10 Prozent„, die AFD wählen oder „nur ein paar rechte Spinner“. Um zu zeigen, wie gefährlich diese Menschen sind, reicht ein Blick in die offizielle Kriminalstatistik des BMI: 1485 rechte Gewalttaten in 2015 sind 1485 zu viel. Oder einen Schritt weiter gedacht: Laut UNHCR sind im vergangenen Jahr über 5000 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken – so viele wie noch nie. Alles nur dank der „Festung Europa“.

Unsere Aufgabe als Grüne Jugend? Nicht immer nur klein-klein , sondern „Think big“! Lasst uns nicht unsere Energie damit verschwenden, ob die Schriftgröße auf dem nächsten Veganismus-Flyer nun 10 oder 11pt ist, sondern lasst uns unsere Energie dafür aufwenden, zu kämpfen. Für die Demokratie, für eine offene Gesellschaft, für eine grenzenlose Zukunft für alle! Lasst uns füreinander einstehen, statt uns gegenseitig zu zerfleischen. Nicht immer die Unterschiede suchen, sondern Gemeinsamkeiten. Wir dürfen der Menschenfeindlichkeit keinen Platz lassen. In nächster Zeit stehen einige wegweisende Wahlkämpfe an, lasst sie uns nutzen und klare Kante zeigen! Geht auf die Straßen und werbt für eine solidarische Zukunft, überzeugt die Menschen davon, dass Gewalt und Hass keine Lösung sind!


Du stimmst Jonathan zu? Oder siehst es ganz anders? Den ganzen Februar lang wird es in der KRASS! um den Rechtsruck der Gesellschaft gehen. Schreib uns doch einfach, wenn du auch Lust hast einen Beitrag zu veröffentlichen! Wir helfen dir von der Idee bis zum fertigen Text, wenn du das möchtest! Mehr Infos findest du im Reiter „Mach mit!“. 

Foto: Nils Schniederjann für die KRASS!

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