Dieser Text stellt die Meinung von Franca dar. Es gibt hierzu eine Antwort von Tascha und Sebastian.

 

Eines der Alleinstellungsmerkmale des Landesverbands der Grünen Jugend in NRW ist der oft gepriesene und thematisierte (Queer-)Feminismus.

Bei jeder Landesmitgliederversammlung (LMV) werden Frauen(*)- und Gendertreffen angeboten, Frauen(*)foren und Quotierungen sind an der Tagesordnung. Darüber hinaus wird eine allgemeine Geschlechtsdifferenzierung durch Gendermainstreaming bei allen Personen(gruppen), über die gesprochen wird, vorausgesetzt. Ist dies nicht Fall, wird das meistens reklamiert.

So schön dies alles auch erst einmal klingen mag; „wir sind offen, wir fördern allgemeine Partizipierung und mehr Gleichberechtigung“, sind die Maßnahmen in der Praxis dennoch recht problematisch.

Wieder geht es meist um erbliche Voraussetzungen. Debatten darüber, wie man einen Verband oder bestimmte Aktionen explizit für Frauen(*) attraktiv machen kann, werfen Fragen auf, wie sich eine Frau(*) grundsätzlich (im „Naturzustand“) verhalte, worin ihre Interessen lägen und wie Frauen(*) auf „typisch männliche“ Verhaltensweisen reagierten.

Um es drastisch auszudrücken, erinnern mich solche Fragestellungen daran, wie im Sozialdarwinismus (oder besser: Sozialspencerismus) versucht wurde, festzustellen, was die Menschen „verschiedener Rassen“ ausmacht; sprich: wie sehr sie in ihrem sozialen Verhalten und Intellekt durch ihre Hautfarbe und meinetwegen Haarstruktur, Nasenform etc. geprägt seien.

Dass dort kein Zusammenhang zwischen Äußerlichkeiten und Verhaltensmustern nachzuweisen ist, sollte wohl jeder*m klar sein, und auch keinen Grund zur Diskussion bieten.

Aber was ist es denn, was Frau(*) von Mann(*) unterscheidet? Ist durch primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale der Lebenslauf gleich vorherbestimmt? Oder spiegelt sich das direkt im Verhalten wider?

Darauf wird mir geantwortet: „Neeein, ich meine ja gar nicht die genetische Voraussetzung. Ich spreche doch von der Sozialisierung in der Gesellschaft!“

Und um diese Sozialisierung zu stärken und noch weiter zu untermauern, ist es natürlich selbstverständlich, dass die Grüne Jugend NRW explizit noch einmal darauf hinweist, dass es eben nicht egal sei, von welchem Geschlecht der politisch interessierte Mensch, der sich engagieren möchte, ist.

Stattdessen wird erst einmal nachgezählt, wie viele weibliche und „nicht-weibliche“ Mitglieder anwesend sind, immer schön alles durchquotiert, egal ob Männer* dabei negativdiskriminiert werden, dadurch dass Frauen* im Vergleich zur Verteilung der Mitglieder oftmals bei Posten überrepräsentiert werden, oder sogar durch Bewerbung auf sowohl Frauen*- als auch offenen Platz, die doppelte Chance haben, gewählt zu werden.

Ich bewerte solch ein Verfahren als auf mehreren Ebenen undemokratisch und diskriminierend. Und das sowohl Frauen* als auch Männern* gegenüber.

Welche Frau* freut sich denn darüber, als „Quotenfrau“ zu fungieren, und nicht (nur) aufgrund ihrer Kompetenzen gewählt zu werden, sondern weil es dem Verband gut steht, möglichst viele Gremien mit weiblichen* Menschen zu füllen?

Welcher Mann* fühlt sich nicht dadurch diskriminiert, bei der Wahl eines offenen Platzes gegen eine Frau zu kandidieren, die bessere Chancen gegenüber einer anderen Kandidatin darüber sichert, eben nicht auf den Frauen*platz zu kandidieren, sondern auf den offenen?

Warum gibt es auf Landesebene der Grünen Jugend NRW spezielle Frauen*förderprogramme?

Mir wird erklärt, dass Frauen* sich (tendenziell) politisch unsicherer fühlten, sich nicht trauen würden, auf Positionen zu kandidieren und generell förderungswürdiger seien.

Erstens ist das eine ziemlich sexistische Aussage, da sie auf der Basis gesellschaftlicher Rollenbilder arbeitet, die es gilt, hinter sich zu lassen.

Außerdem stellt sich bei mir dabei die Frage, warum es keine Förderprogramme für unsichere Menschen gibt. So hätten Männer* dabei die gleiche Chance wie Frauen*, und Frauen* würden sich nicht pauschal als „unsicher“ definiert fühlen.

Hier stellt sich auch direkt erneut die Frage nach dem Unterschied von Mann* und Frau*.

Wie bereits genannt, definiert sich die GJNRW als queerfeministischen Verband.

Unter diesem Thema kamen auch häufig Diskussionen darüber, inwieweit man überhaupt von binären Geschlechtern sprechen kann, wenn Inter- und Trans*- oder sonstige genderqueere Personen bedacht werden.

Das ist ja auch der Grund, warum sich die Grüne Jugend NRW für die Benutzung des Genderstars entschieden hat.

Bei Diskussionen über Feminismus und Frauenförderung aber bleibt dieser Gedanke meistens aus. Stattdessen werden Clichés ausgesprochen, die den Mann und die Frau bezeichnen, ohne den einzelnen Menschen als Individuum zu betrachten.

Und eigentlich ist es doch genau das, was wir in der Grünen Jugend erreichen wollen: eine Welt, in der Menschlichkeit höchsten Stellenwert hat und Gerechtigkeit unter anderem dadurch ausgedrückt wird, dass Menschen gleichberechtigt behandelt werden; und das unabhängig von den äußerlichen sowie charakterlichen Eigenschaften, die sie auszeichnen.

Allerdings müssen wir einen Weg finden, uns selbst aus diesem Dilemma herauszuhelfen.

Ein guter Ansatz wäre es, kritisch zu reflektieren, was momentan in der Frauen*politik der Grünen Jugend gut oder schlecht läuft, und zu überlegen, wie das System reformiert werden kann, sodass so wenig Menschen wie möglich, sowohl als Individuuen, als auch als Teil von sozialen Gruppen (strukturell) diskriminiert werden.

Ich möchte mit diesem Artikel Anreiz zur Diskussion bieten, um auch andere Seiten des Themenkomplexes (Queer-)feminismus beleuchtet zu sehen.

Es kann nicht sein, dass direkt die Keule des*der Antifeminist*in auf jemanden zukommt, nur weil der*diejenige Probleme in der jetztigen Umgangsweise mit Frauen* in der GJNRW aufzeigt.

Deshalb bitte ich euch, euch zu dem Thema Gedanken zu machen, und vielleicht (gerne auch unter diesem Artikel) über meine Punkte zu diskutieren.

Darüber hinaus würde ich es auch sehr begrüßen, wenn noch einmal eine grundsätzliche Debatte über (Queer-)feminismus und dessen Umsetzung eröffnet würde.

Denn wie gesagt: dieses System der momentanen Lage ist undemokratisch und höchst diskriminierend.

Anmerkung: Ich habe bestimmte Inhalte ein wenig überspitzt dargestellt und meine Argumente teilweise einseitig beleuchtet. Das ist mir bewusst, deshalb beschwert euch bitte nicht über meinen Stil.

In dem Artikel sind häufig das Wort „Queer“ sowie das Gendersternchen in Klammern aufgetaucht. Das hängt damit zusammen, dass ich bei bestimmten Teilen des Artikels mich vorwiegend auf die Debatte über „reinen“ , also auf “Frauen-“Feminismus beschränkt habe, wie er in der GJNRW auch oft betrieben wird. Deshalb soll dies auch zeigen, dass in solchen Diskussionen dabei Inter-, Trans*- und andere genderqueere Personen oft gar nicht mitgemeint sind, sondern nur oftmals nur von Cis-Frauen und Cis-Männern die Rede ist.

Franca