Ende Gelände hat für viele Diskussionen gesorgt. Der überharte Polizeieinsatz, bei dem auch gegen Journalist*innen vorgegangen wurde, wird hoffentlich noch im Landtag nachbereitet werden. Aber egal was noch kommt, eins haben diese Aktionstage schon heute geschafft: Sie haben Menschen neue Hoffnung gegeben. Mit diesem Text möchte ich euch ein bisschen darüber erzählen, was ich dort erlebt habe.

Das Camp:
Das Klimacamp war wunderbar. Es waren sehr, sehr sehr viele Menschen, aus vielen verschiedenen Ländern da. Entsprechend vielfältig waren die Sprachen, die zu hören waren. Es war ist toll zu sehen, wie dass so viele Menschen (es waren wohl über 1000) gemeinsam eine Woche zusammen leben, lernen und feiern. Fast noch vielfältiger als die Zahl der Länder waren die unterschiedlichen Zusammenhänge, aus denen die Leute im Camp zusammen gekommen sind. Leider konnte ich nicht so lange da bleiben, wie es dieses Camp verdient gehabt hätte.

Die Aktion
Das Bündnis Ende Gelände hat zu einer friedlichen Aktion des zivilen Ungehorsams aufgerufen. Friedlich bedeutet hierbei, dass keine Menschen angegriffen oder gefährdet werden sollen. Ziel war es, den Tagebau Garzweiler zu stoppen. Das ist wohl auch gelungen. Nach allem, was ich weiß, ist das Betreten des Betriebsgeländes von RWE zwar verboten, aber genau diese Verletzung von Regeln macht ja Aktionen des zivilen Ungehorsams aus.
Legitimiert wird sie in meinen Augen einerseits durch die dramatischen Folgen, die der
Klimawandel mit sich bringen wird zu dem die Verbrennung von Braunkohle , als
klimaschädlichste Form der Energiegewinnung auch einen großen Teil beiträgt. Andererseits ist es für mich auch völlig unverständlich, wieso das Interesse einer Aktiengesellschaft, die ihren Aktionär*innen verpflichtet ist über dem privaten Eigentumsrecht der Menschen vor Ort stehen soll.   Wenn wir davon ausgehen, dass die Aktiengesellschaft, dadurch dass sie Strom produziert, dem Gemeinwohl dient, dann sollten wir aber auch den Landwirt*innen in der Region zugestehen, durch
die Produktion von Lebensmitteln dem Gemeinwohl zu dienen. Ihr sehr fruchtbares Ackerland wird aber durch den Abbau der Braunkohle zerstört. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich lieber ohne Strom leben (als angehender Elektrotechniker(!)) als ohne Getreide.
Nun lässt sich einwenden, das Nahrung auch woanders angebaut werden kann. Das ist richtig, aber Strom lässt sich auch aus anderen Energiequellen gewinnen.
Veränderungen und Abschaffung von Unrecht, hat oft auch Grenzüberschreitungen gebraucht. Von Gandhis Einsatz für die Unabhängigkeit Indiens, über die friedliche Revolution im ehemaligen Ostblock bis zur Anti-Atom-Bewegung und den Blockaden von Naziaufmärschen. Überall haben friedliche Überschreitungen von gesetzlich gesetzten Grenzen dazu geführt, unsere Welt zu verändern.

Die Demo
Parallel zur großen Aktion des zivilen Ungehorsams gab es noch eine angemeldete Demonstration
von Immerath aus (einem fast toten Dorf) in Richtung Tagebaukante. Ich habe an dieser Demo teilgenommen. Zwischen der Autobahn und dem Tagebau war dann eine Zwischenkundgebung geplant, die auch stattfand. Die Demo wurde von der Polizei gefilmt, obwohl es meiner Einschätzung nach absolut keine Anzeichen für Straftaten gab. In der Demo waren viele ältere Menschen und junge Familien. Meines Wissens nach keine Gruppen, die durch besonderen Hang zu Straftaten eine Videoüberwachung rechtfertigen würde.
Im Anschluss an die Zwischenkundgebung gab es noch sehr leckeren Kuchen, der gegen eine Spende für ein Projekt für Geflüchtete in Calais ausgegeben wurde.

Einige Teilnehmer*innen der Demo machten sich zu dem Zeitpunkt aber schon auf den Rückweg nach Immerath, um die Shuttlebusse zum Bahnhof Erkelenz erreichen zu können. Diese Gruppe wurde jedoch aber sehr bald von der Polizei gestoppt. Die Polizei verhinderte, dass sie zurück zu den Shuttelbussen gehen konnten.  Es wurde ihnen von der Polizei gesagt, dass der Versammlungsleiter mit allen Teilnehmenden der Demo gemeinsam nach Immerath gehen wollen würde.

Soweit ich weiß, darf das aber kein Grund sein, Leuten das Verlassen einer Demo zu
verwehren, auf der es zu keinerlei Straftaten gekommen ist. Aber, es kommt aber noch besser: Dem Versammlungsleiter auf der Zwischenkundgebung wurde erklärt, dass die Leute, die sich auf dem Rückweg befinden, erst weiter gelassen werden können, wenn er auch dort ist.

Damit wäre die Zwischenkundgebung beendet, da der Versammlungsleiter anwesend sein muss. Ob dieses Vorgehen der Polizei mit Recht und Gesetz in Einklang zu bringen ist, habe ich nicht zu beurteilen, allerdings zweifle ich es sehr stark an. Menschen fest zu halten, um andere Menschen dazu zu bewegen etwas zu tun, machen normalerweise kriminelle Banden. Dort wird es dann Geiselnahme bzw. Erpressung genannt.

RWE der Widerstand und der „Dialog“
RWE behauptet immer wieder, sie wären offen für einen Dialog. Was RWE darunter versteht, ist, dass sie gerne mit Menschen reden, ihnen erzählen, wie wichtig die Braunkohle sei und hinterher alles genauso machen, wie sie es vor dem Gespräch geplant haben. Ein echter Dialog könnte zum Beispiel so aussehen: RWE möchte ein Dorf umsiedeln, um an die Braunkohle zu kommen. Die Dorfbewohner*innen entscheiden dann in einer freien, gleichen und geheimen Abstimmung, ob sie
bleiben möchten, oder ob ihr Dorf zerstört werden soll. Wird ein bestimmtes Quorum (z.B. 1/3) für Bleiben erreicht, so wird das Dorf nicht umgesiedelt.
Dem ist aber nicht so. Deswegen ist es um so wichtiger, immer wieder mit kreativen friedlichen Aktionen auf die Probleme des Braunkohleabbaus hinzuweisen, wie Ende Gelände es getan hat. So müssen wir den politischen Druck auf die Entscheidungsträger*innen in NRW und im Bund erhöhen. Andererseits können wir alle aber auch einen Beitrag zum Ende der Braunkohleverstromung leisten: Wir können unseren Stromanbieter wechseln! RWE steht quasi jetzt schon am Rande des Abgrunds. Wenn Terium in einem Interview erklärt, dass Geld für den Rückbau der Kernkraftwerke müsse erst noch erwirtschaftet werden, so sagt er damit auch, dass RWE unfähig ist, seine Zahlungsverpflichtungen einzuhalten. Denn die Erträge aus der Braunkohle
werden ja auch dazu gebraucht, um die Löcher hinterher wieder zu renaturieren. Beides wird vermutlich in 5-10 Jahren an den Steuerzahler*innen hängen bleiben – ob durch Subventionen für einen Energiekonzern mit gescheitertem Geschäftsmodell, oder durch direkte Abwicklung der Lasten in einem staatlichen Fonds.

Ein schönes Erlebnis zum Schluss
Auf der Mahnwache in Borschemich hatte ich folgendes Erlebnis: Eeine ältere Frau kam auf uns zu und stellte sich vor und fragte, ob sie hier Pfefferspray oder sowas befürchten müsse. Wir haben darauf hingewiesen, dass wir auch kein Pfefferspray haben möchten und nicht davon ausgehen, dass es eingesetzt wird, aber letztlich die Polizei darüber entscheidet.
Das hat sie wohl beruhigt und sie erzählte uns warum sie zu uns gekommen ist:
Sie hat sich zur Absicherung im Alter eine Wohnung in einem der Dörfer gekauft, die von
Garzweiler II betroffen sein sollen, bevor dieser Tagebau genehmigt wurde. Nun lebt sie dort von einer recht kleinen Rente. Da sie aber keine Miete bezahlen muss, ist das für sie okay. Nun besteht aber die Gefahr, dass sie für ihre Wohnung eine Entschädigung bekommt, die nicht ausreicht um in der Region eine neue Wohnung zu finden. Dann würde sie in die Grundsicherung rutschen und hätte noch weniger Geld zur Verfügung.

Diese Frau war sehr froh darüber, dass wir etwas gegen den Tagebau tun. Sie meinte, dass wir ihr und vielen anderen im Revier neue Hoffnung geben, doch in ihrer Umgebung weiter leben zu können.

Was kann eine Demo und eine Aktion mehr erreichen, als Menschen Hoffnung zu geben?
Ist die Macht von RWE stärker als die Hoffnung und Solidarität der Menschen, die sich für Klimaschutz und den Erhalt ihrer Dörfer und Felder und gegen den massiven Ausstoß von
Feinstaub, Quecksilber und vielen anderen Schadstoffen einsetzen?
Ich glaube nicht. Ich glaube in einigen Jahren wird das rheinische Revier anders aussehen als heute.
Es liegt an uns, den Menschen vor Ort, der Politik und den Gewerkschaften, ob wir den
Strukturwandel gestalten und einen zügigen Zeitplan für einen baldigen Kohleausstieg erarbeiten, weitere Dörfer vor der drohenden Zerstörung bewahren und das Klima schützen, oder ob wir noch ein paar Jahre warten und dann einen massiven Bruch in der Region erleben.
Lasst uns den Wandel gestalten und lasst uns heute damit anfangen. Lasst uns den Kohleausstieg jetzt einleiten!