Bald ist es so weit. Ganz bestimmt. Eigentlich hat sie ja quasi schon gestartet. Fast. So lange wird schon davon gesprochen und immer wieder betont, dass sie bald kommen muss. Denn so geht es ja wirklich nicht weiter! Es muss sich was ändern. Ganz ganz bald. Wählen gehen? Nein! Das wäre doch kontraproduktiv und würde ihr nur entgegenstehen!

Die Rede ist natürlich von der Revolution. Welcher? Na DER Revolution. Der einen, die uns endlich von der Knechtschaft des Kapitals befreit. Der einen, die endlich für echte Gleichheit sorgt. Der einen, die uns das schöne Leben bescheren wird. Der einen, auf die schon seit Jahren gewartet wird.

So richtig erklären kann sie mir aber keiner. Das finde ich auch nicht weiter tragisch, schließlich lässt sich nicht alles planen. Mir kann nur leider auch niemand erklären, wer sie denn jetzt eigentlich wann genau starten wird. Es wird nur gewartet. Und gewartet. Und gewartet. Gewartet während drumherum politische Prozesse im Gang sind, die das Leben einiger Menschen maßgeblich verändern (können). Aber das sind natürlich alles keine revolutionären Veränderungen, klar, deshalb ist ja auch egal, was „die Politik“ grad so treibt. Das System ist schließlich erst Schuld an den ganzen Missständen! Alles was darin verändert wird sind nur Schönheitskorrekturen, die es nur künstlich am Leben halten. Dann lehn ich mich am besten zurück und mache nix, bis das System endlich getsürzt wird. Oder so ähnlich.

Die Argumentation mag ja auch ein Stück weit stimmen, wer weiß. Mag sein, dass es Schönheitskorrekturen sind, die den Kapitalismus nur künstlich länger am Leben halten und ihn dadurch erst weiterhin legitimieren. Vielleicht wären wir ihn schon längst los, wenn nicht immer wieder kleiner Veränderungen vorgenommen würden, um das Leben für einige Menschen besser zu gestalten. Aber wollen wir wirklich auf die Revolution, die für mich noch nicht am Horizont zu erkennen ist, warten, wenn wir schon jetzt bessere Lebensbedingungen schaffen können? Ich nicht. Ich möchte auch jetzt schon verbessern was ich verbessern kann. Ob in einem kapitalistischen System, in einem kommunistischen, anarchistischen oder was auch immer: Verbesserungen sind und bleiben Verbesserungen. Erklärt mal der Studentin die sich erst durch die Abschaffung der Studiengebüren ihr Studium leisten konnte, dass das ja eigentlich schlecht sei, weil dadurch nur das System weiterhin legitimiert wird. Erklärt zukünftigen Generationen, dass wir weil wir so beschäftigt damit waren auf die Revolution zu warten leider nicht dazu gekommen sind, die Energiewende zu bewältigen und der Klimakatastrophe entgegenzuwirken. Und erklärt dem einzelnen sich auf der Flucht befindenden Menschen, dass er gerne nach der Revolution wiederkommen kann, wir aber im Moment nichts für ihn tun können, weil wir anstatt andere parlamentarische Mehrheiten durchzusetzen lieber weiterhin Rassist*innen von CDU/CSU die Entscheidungen treffen lassen, weil Parlamentarismus und damit wählen gehen ja so garnicht unseren politischen Zielen entspricht.

Das hat für mich nichts mit revolutionärer Politik zu tun, sondern eher mit privilegierter Ignoranz, die sich nicht alle leisten können. Mein Appell ist es nicht, jeden noch so kleinen Kompromiss wahrzunehmen, denn Ideale gilt es zu behalten. Mein Appell ist nur, doch bitte auch Verbesserungen wahrzunehmen, als solche anzuerkennen und aktiv einzufordern. Ich habe keine Lust auf rumsitzen und jammern, ich will was verändern!

 

 

Ein Kommentar von Lea Schlang, aktuelle politische Geschäftsführerin der GJ NRW

Foto: Laila Riedmiller