eine Glosse von Sebastian Klick

 

In den letzten 50 Jahren, also in der Zeit, in der unsere Eltern aufgewachsen sind und Karriere gemacht haben, wurde durch die Menschheit mehr CO2 ausgestoßen als in allen Jahrtausenden zuvor. Und das obwohl bereits in den 70er Jahren vor den Folgen gewarnt wurde. Unsere Eltern stellen also eindrucksvoll unter Beweis, dass Menschen auch über große Zeiträume in die Zukunft denken können. Ebenso haben sie das bei der Atomkraft beweisen können. Der Atommüll strahlt zwar etwas länger als die Pyramiden im alten Ägypten stehen – aber hey, unsere Parentalgeneration hatte billigen Strom 🙂

Nicht nur da wurde über einen kurzfristigen Zeitraum hinausgedacht, auch bei der zweifellos größten Leistung unserer Eltern- und Großelterngeneration, nämlich dem Wiederaufbau Europas, wurde daran gedacht, uns mit dem Grünen Band ein wunderbares Naturschutzgebiet zu hinterlassen. Das ist zwar nicht geplant gewesen, ist aber trotz der dunklen Vergangenheit heute eine gute Sache.

 

Aber nicht nur ein Vorhang aus Eisen ging durch Europa, sondern auch die Angst vor einem Atomkrieg. Ich bin unseren Parentalgenerationen dankbar, dass die Welt mehrfach am Rande eines Atomkriegs war – immerhin war sie nicht einen Schritt weiter.

Aber ihr habt auch großartige technische Entwicklungen zustande gebracht. Das Internet meine ich dabei gar nicht, sondern viel eher den elektrischen Fensterheber. Unsere Kinder werden die Fenster unserer Autos nicht mehr so leicht aufbekommen wie wir es konnten und werden damit perfekt auf das sich aufheizende Klima vorbereitet. Apropos Klima: Liebe Parentalgeneration: Ihr wart auf dem Mond, ihr wart am Nordpol und am Südpol, habt eine Raumstation gebaut und Waffen entwickelt, mit denen ihr die Erde x-mal sprengen könntet, aber den Hunger auf der Welt habt ihr verdrängt, oder vergessen. Und wenn nicht, dann beschwert ihr euch über den bösen Biosprit, während ihr euren Burger verdrückt, den ihr euch mit eurem SUV beim Drive-In geholt habt. Dabei kommt ihr nicht auf die Idee, dass die Rinder auch was gefressen haben, was sonst vielleicht andere Menschen hätte satt machen können. Ihr wollt keine strengen Umweltstandards, weil sonst die Chines*innen auf dem globalen Markt Wettbewerbsvorteile hätten. Dass der Globus deswegen ins Wanken kommt, ist euch egal. Oder vielleicht auch nicht so ganz egal, immerhin stammen ja auch viele ökologische und soziale Bewegungen aus eurer Studienzeit. Und ihr habt auch da was erreicht: FCKW ist weltweit geächtet, das Ozonloch schrumpft wieder und im Ruhrgebiet kann die Wäsche wieder draußen trocknen. Dafür hat die Luft in chinesischen Städten eher die Qualität einer Giftmülldeponie und im Meer schwimmen ganze Kontinente aus Plastik. Ihr sucht Öl im Permafrostboden Kanadas und hofft, dass „Der Russe“ das Gas im Winter nicht abdreht. Dabei habt ihr doch auch Alternativen entwickelt. Ihr könntet zum Beispiel mit eurem 50“-Plasma Fernseher, oder euren heiß geliebten Glühlampen heizen. Die brauchen nur Strom. Aber den bekommt ihr ja aus Kohlekraftwerken, für deren Betrieb ihr Hunderte von Menschen allein hier in Deutschland umsiedelt und ganze Landstriche umgrabt. Bei der Steinkohle redet ihr euch sogar ein, dass sie ja aus Deutschland komme. Aber wehe in Sichtweite eurer Haustür wird ein „Windspargel“ gebaut. Wisst ihr was: Ich mag Spargel. Ich mag ihn sogar lieber als Feinstaub, Gewässerschäden, Sanierungskosten und Menschenrechtsverletzungen zusammen. Und ihr so?

Aber auch im sozialen Miteinander habt ihr Großes vollbracht. Heute wird innerhalb Europas nicht mehr an Grenzen geschossen. Stattdessen baut ihr Zäune um Europa und versenkt die Boote der Menschen, die aufgrund eures Konsums und der Ausbeutung durch eure Markenfirmen keine andere Möglichkeit mehr für ein menschenwürdiges Leben sehen, als ihre Familie zu verlassen – oft für immer.

Eure Ablehnung gegenüber anderen Menschen begründet ihr nicht mehr mit der Hautfarbe, sondern mit der Kultur. Und nachdem eure Eltern beim Massenmord an den jüdischen Mitmenschen zugesehen oder sogar mitgemacht haben, könnt ihr nun die „christlich-jüdische Tradition“ herbeizitieren wenn es gegen muslimische Menschen, Schwule oder andere Menschen geht, die euch nicht passen.

Sieht so eure Gastfreundschaft aus?

Aber das wird bestimmt der Markt regeln. Der Markt ist ja sowieso euer Gott. Arbeitsmarkt, Lebensmittelmarkt, Getränkemarkt, Wähler*innenmarkt, Partner*innenmarkt, Wettbewerb, Wettbewerb und noch mal Wettbewerb. Wenn ihr aber im Zug den Wettbewerb um den Sitzplatz trotz 10m Sprint verliert, fordert ihr von uns aufzustehen. Respekt vor dem Alter und so. Ich habe nichts dagegen Dinge nach Bedarf zu verteilen, aber warum pocht ihr immer nur dann darauf wenn es zu eurem eigenen nutzen ist? Ich gehe ja auch nicht zu euch und fordere euch mehr oder weniger höflich dazu auf, mir doch bitte den zweiten und dritten Planeten zu organisieren, den ihr mit dem aktuellen Lebensstil braucht. Aber auch hier gilt: Im Wettbewerb um die Ressourcen wart ihr eben zu erst da. Aber wenn ich zuerst sitze soll ich aufstehen. Denkt mal drüber nach 😉

Vielleicht kommt ihr dann zum Schluss, dass immer mehr (von was eigentlich? Geld, Macht, Prestige) und immer schneller (schnelleres Auto, schnelleres Handy, schnelleres Flugzeug etc.) nicht immer das Beste für alle ist. Vielleicht kommt ihr auch auf die Idee, dass unendliches Wachstum auf einer Kugel mit endlichem Radius nicht möglich ist. Oder ihr kommt wenigstens auf die Idee, dass ihr mit eurem Stehplatz eigentlich noch ganz gut weggekommen seid.

 

Zum Schluss noch einige Sätze zu meiner Motivation:

 

Ich weiß, ich habe in dem Text pauschalisiert, übertrieben und bin nicht immer sachlich geblieben. Ich weiß auch, dass wir jungen Menschen uns bei vielen Punkten auch an die eigene Nase fassen müssen. Aber ich möchte zum Nachdenken anregen. Sowohl meine als auch eure Generation. Wenn du unter 30 bist: möchtest du, dass deine Kinder dir später Vorwürfe machen? Dich fragen warum du gegen Klimaschutz warst? Dich fragen wo DU gewesen bist als Europa das Mittelmeer in ein Massengrab verwandelt hat?

Möchtest du ihnen dann Antworten „Ich habe das nicht gewusst“? Oder „Ich brauchte Arbeit, der Planet war mir egal“? Oder „Ich war lieber an Stränden ohne arme Menschen im Urlaub“? Oder was möchtest du sonst antworten?

Wenn du über 30 bist, kannst du dir natürlich die gleichen Fragen stellen. Aber vielleicht hast du schon Kinder und möchtest, dass sie in einer besseren Welt aufwachsen. Dann überleg doch, was DU dazu beitragen kannst. Veränderung ist die Summe vieler kleiner Schritte und wir alle können ein Teil davon sein. Morgen geht es los und wenn du willst vielleicht auch schon heute.